Reality Bites

Donnerstag, 20. April 2006

Zielgruppe verfehlt

Es gab eine Zeit, da wurde sie regelmäßig von Menschen an Bushaltestellen oder vor Kaufhäusern angesprochen. Diese Menschen wollten sie in die Kirche einladen, mit ihr über ihren Glauben sprechen oder ihr auch nur eine Broschüre ihrer jeweiligen, heilbringenden Vereinigung in die Hand drücken. Eine Umfrage im Freundeskreis ergab, dass anderen das bei weitem nicht so oft passiert. Und sie wunderte sich. Zu dieser Zeit glaubte sie, dass Leben sei ein langer, ruhiger Fluss und sie sei auf dem besten Weg ins Paradies. Was sahen diese Menschen nur in ihrem Gesicht, das sie glauben ließ, gerade sie sei empfänglich für ihre Lehren? - Heute ist der lange, ruhige Fluss längst über die Ufer getreten und ob sein Weg ins Paradies führt, da ist sie sich nicht mehr so sicher. Sicher ist schon lange nichts mehr in ihrem Leben, und die ewige Sinnsuche wird zur Qual. Aber diese Menschen, die haben sie schon lange nicht mehr angesprochen …

Mittwoch, 19. April 2006

The Times They Are A-Changing

Meine einzige engere Beziehung in den vergangenen zwölf Monate hatte ich zu einem Mann, der sich weder durch besondere Eigenschaften noch durch störende Macken auszeichnete. Im großen und ganzen überzeugte er mich vor allem durch seine klare, verlässliche Art zu kommunizieren. Er rief und smste immer sofort zurück und das freute mich. Für einen Mann ist das schon was, dachte ich mir. Dabei ist mir durchaus klar, dass ich ihm noch vor einem Jahr nicht einmal meine Telefonnummer gegeben hätte.

Dienstag, 18. April 2006

Dilemmata des Alltags

So viele Bücher, so wenig Zeit
So viele Klamotten, so wenig Geld
So viele Männer, so wenig Sex
So viel Leben, so wenig genutzt

Montag, 17. April 2006

Spätes Glück

Heute gab mir der Mann, in den ich mit 12 Jahren auf eine präpubertäre, doch gleichsam verzweifelte und damit bereits sehr erwachsene Weise verliebt war, zum Abschied einen wundersam keuschen, geradezu präpubertären Kuss auf die Wange. Ich schwöre: Dieses war der schönste Kuss, den ich seit langer Zeit bekommen habe.

Österliche (Ent-) Täuschung

„Weißt du, Mama, am schönsten fand ich früher an Ostern immer, wenn wir unseren Osterspaziergang gemacht haben und ich überall im Wald die Ostereier entdeckt habe, die Papa vorher auf dem Weg versteckt hatte.“ „Vorher versteckt?? Ach so, nein, die haben wir doch immer während des Spaziergangs in einem unbemerkten Moment fallen gelassen.“

Und ich dachte tatsächlich 25 Jahre lang, mein Papa ist früh morgens durch den Wald gerannt, um Schokoladenostereier für mich zu verstecken…

Sonntag, 16. April 2006

Ein Wunder der Fußpflege

Sie war eine Erscheinung von vollendeter Eleganz. Sie, die sie ihm auf der Straße entgegen schwebte. Sein Blick verfolgte gebannt den Verlauf ihrer schlanken Beine, um dann irritiert an einem Paar Flip-Flops hängen zu bleiben, in denen Füße steckten, deren rot lackierte Zehennägel von Styroporteilchen auseinander gehalten wurden. In der Sekunde, in der sich ihre Wege auf dem Bürgersteig kreuzten, fasste sie sich plötzlich an die Stirn und dreht abrupt um. „Have you changed your mind?“ fragte er sie, nun neben ihr her laufend. „Oh, no, I just had a pedicure and forgot to put my shoes back on.“ “I know, that happens to me all the time,” antwortete er verständnisvoll.

Sie sind jetzt seit fünf Monaten verheiratet.

Samstag, 15. April 2006

Frühlingsgefühle

Sie: "Ich möchte einfach nur, dass es endlich, endlich Frühling wird!"
Er: "In echt oder im übertragenen Sinne?"

Freitag, 14. April 2006

Everyone says "I Love you"

"Oh, are you from Germany?" fragt der Kellner. "Fußball!" Ich lächele höflich, sein Grinsen wird breiter und in seinem Mund formen sich seltsame Laute, aus denen ich mühsam "ich liebe dich" heraushöre. Er strahlt wie eine 60 Watt Birne: "I've learned some German at school." Ich nicke bloß, bin peinlich berührt. Wie nur können andere Menschen diese Worte so leichtfertig, so spielerisch aussprechen? Während sie in meinem Kopf unentwegt wie buntschimmernde Murmeln hin und her kullern, beim Aneinanderstoßen verführerisch klingende Töne erzeugen und mir am Ende doch immer entwischen.

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